Es war wieder Zeit für das bekannte Sensability Summit der WHU. Das beschauliche Vallendar füllte sich mit BesucherInnen aus aller Welt, die an eine der besten Privatuniversitäten strömten, darunter auch unsere Korrespondentin / Chefredakteurin Prof. Dr. Anabel Ternès von Hattburg, die gleich sprechen würde, und Karsten Hirsch, Gründer von Plasticfischer. Was ein guter Hintergrund für das folgende Interview, das dort entstand:
1. Vom Unternehmer zum Aktivisten
„Karsten, was hat dich 2019 dazu gebracht, deine Jura Karriere hinter dir zu lassen und Plastik zu sammeln? War es ein Schlüsselmoment oder eine langsame Erkenntnis?”
Nach Abschluss meines Studiums bin ich mit zwei Freunden nach Vietnam in den Urlaub geflogen und habe dort jeden Tag auf den Mekong Fluss geschaut. Noch nie habe ich so viel Plastik Richtung Meer schwimmen sehen. Wir haben den ganzen Urlaub darüber gesprochen und danach bei unseren Recherchen festgestellt, dass es keine Organisation auf der Welt gibt, die Ozean Plastik bereits in Flüssen stoppt. Wir haben uns dann kurzerhand entschlossen, mit Plastic Fischer die erste solche Firma zu gründen und es selber in die Hand zu nehmen. Ein halbes Jahr nach dem Urlaub bin ich nach Indonesien gezogen, um die Technologie vor Ort zu entwickeln und wichtige Erfahrungen zu sammeln.
2. Das erste Mal auf dem Fluss
„Als du zum ersten Mal Müll gefischt hast – was hast du gefühlt, als du realisiert hast: ‚Hier schwimmt kein einzelnes Stück, hier ist alles voll’?“
Ich war – bis auf den Urlaub in Vietnam – noch nie in Asien und war deshalb ziemlich geschockt, als ich dann am Citarum, einem der dreckigsten Flüsse der Welt, lebte und mir langsam des Ausmaßes bewusst wurde. Nach wie vor sind die Mengen an Plastik, die täglich über die Flüsse in die Meere gelangen, beängstigend. Es zeigt aber auch: Es muss JETZT was getan werden. Unternehmen können mit uns zusammenarbeiten und mit uns einen Beitrag für saubere Ozeane und faire Jobs in Asien leisten.
3. Der härteste Fund
„Ihr habt schon tonnenweise Plastik geborgen – aber welches Fundstück hat dich am meisten schockiert oder wütend gemacht? Vielleicht etwas, das zeigt, wie absurd unser Konsumverhalten ist?”
Wir haben wirklich schon alles in unseren Systemen gefunden. Fernseher, Kühlschränke, Couches, aber auch tote Kühe, Ziegen, Schweine und sogar schon Menschen. Eine Leiche im TrashBoom zu finden ist auf jeden Fall schockierend, aber wir haben die Familie “glücklich” gemacht, die ihren Mann/Großvater vermisst haben. Er war beim Äpfel pflücken in den Fluss gefallen und ertrunken. Wütend macht mich vor allem, dass auch Krankenhausmüll in Flüssen entsorgt wird und Spritzen und andere gefährliche Gegenstände einfach in der Umwelt entsorgt werden. Es muss Infrastruktur geschaffen und diese dann auch genutzt werden.
4. Die Reaktion der Zweifler
„Am Anfang haben viele gedacht: „Was wird das, was macht der?“ Wann hast du das erste Mal gespürt: Jetzt ziehen andere mit – und warum?”
Am Anfang (als ich nach Indonesien gezogen bin) haben alle Bewohnerinnen und Bewohner vor Ort gedacht, da sind zwei Touristen, die wieder über das Plastikproblem in Indonesien berichten wollen. Wir sind allerdings über ein halbes Jahr jeden Tag dort aufgetaucht, haben hart und eng mit den Einheimischen zusammengearbeitet, um wirklich eine Lösung zu entwickeln. Das hat uns den Respekt verschafft, der sich dann in handfeste Unterstützung durch die indonesische Armee gewandelt hat. Fast immer dauert es bei neuen Projektstandorten einige Zeit, bis die Einheimischen verstehen, wir meinen es ernst und kümmern uns wirklich langfristig um das Problem vor Ort.

Wir haben außerdem mit unseren einfachen Barrieren einen Trend gesetzt, dem sich fast alle namhaften Organisationen angeschlossen haben. Teilweise haben sie unsere Bauanleitungen genutzt und die Technologie nachgebaut oder eine sehr ähnliche entwickelt. Das zeigt, dass wir eine wirklich sinnvolle Lösung erfunden haben, die weltweit überzeugt.
5. Wie geht es weiter?
“Was muss konkret passieren, dass eure Arbeit eines Tages überflüssig wird? Was sind Eure aktuellen Herausforderungen und was kann jeder tun, um Euch zu unterstützen?”
Die produzierenden Unternehmen müssen in die Verantwortung genommen werden und weltweit Abgaben zahlen, damit das von ihnen in Verkehr gebrachte Material wieder eingesammelt und anständig verwertet werden kann (Extended Producer Responsibility).
Von diesen Abgaben und mithilfe von Steuergeldern, sowie Abgaben von einzelnen Haushalten muss Abfallwirtschafts-Infrastruktur geschaffen und dann auch regelkonform genutzt werden. Das Problem muss an Land und näher an den Haushalten und produzierenden Unternehmen gelöst werden. Das braucht allerdings Zeit und solange bedarf es Unternehmen wie Plastic Fischer, die jetzt und unmittelbar Plastik stoppen, das auf dem Weg Richtung Meer ist.
Unternehmen können mit uns zusammenarbeiten, einzigartige Projekte aufsetzen, die nicht nur ökologischen, sondern auch sozialen Impact haben. Alles was wir tun, können wir mithilfe von Daten, Dokumenten und Bildern belegen – wir tun was wir versprechen und freuen uns, wenn sich mehr Unternehmen und Privatpersonen unserer Vision von plastikfreien Flüssen und Meeren anschließen. Man erreicht mich über LinkedIn oder unter [email protected]
Titelfoto: HBLCMarketingLTD
Sensability Summit – Interview Karsten Hirsch
Kategorie: CloseUp